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Fotos © Anna-Elena Schüler
Am 05.02.2025 lud das Zentrum Erinnerungskultur in Kooperation mit Bücher Pustet zu einer Lesung mit Prof. Dr. Sebastian Conrad (Berlin) ein, der sein für den Deutschen Sachbuchpreis 2024 nominiertes Buch „Die Königin“ vorstellte. Mit rund 75 Personen war die Buchhandlung in der Regensburger Altstadt bei dieser Veranstaltung in der Reihe „Debatten und Positionen zur Erinnerungskultur“ gut besucht.
Nach der Begrüßung durch die Filialleiterin Susanne Borst und Prof. Dr. Bernhard Löffler, einem der beiden Direktoren des Zentrums Erinnerungskultur, eröffnete Sebastian Conrad den Abend mit einer bebilderten Einführung.
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In dieser skizzierte er „Nofretetes globale Karriere“, so der Untertitel seiner Monografie. Conrad ging dabei auf die historische Nofretete, Ehefrau des Pharaos Echnaton im 14. Jahrhundert, ein, mehr noch aber auf die Geschichte der Büste und ihrer weltweiten Rezeption. Er berichtete von der Ausgrabung durch eine deutsche Expedition im Jahr 1912, den aus heutiger Sicht fragwürdigen Umständen, unter denen die heute im Neuen Museum ausgestellte Büste nach Berlin kam, erläuterte ausführlich die globale Wirkungsgeschichte und ging auch auf aktuelle Debatten um Rückgabeforderungen ein.
Der international renommierte Globalhistoriker zeigte, dass Nofretete von Anfang an für unterschiedliche Agenden – von der Kosmetikwerbung bis zum Feminismus – vereinnahmt wurde und sich die verschiedenen Aneignungsversuche teilweise diametral widersprachen. So machte der Nationalsozialismus die ägyptische Königin zur „Arierin“, während die US-amerikanische Rezeption sie zur Ikone der Black-Power-Bewegung stilisierte und Schwarze Künstler:innen wie die Sängerin Beyoncé sie bis heute verehren. In Ägypten wurde und wird sie sowohl vom Staat als auch von der Opposition vereinnahmt. Ersteres illustrierte Conrad mit dem Foto einer Nähmaschine mit Nofretete-Aufdruck aus der Zeit der Präsidentschaft Gamal Abdel Nassers (1954–1970), letzteres mit einem Porträt Nofretetes, das der Street-Art-Künstler El-Zeft während des Arabischen Frühlings 2012 gesprüht hatte.
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Im anschließenden Gespräch mit Prof. em. Dr. Susanne Popp (Augsburg) und im Austausch mit dem Publikum wurden verschiedene Facetten des Buches, das 2024 zum 100-jährigen Jubiläum der ersten Ausstellung der Weltikone in Berlin erschienen ist, vertieft. So stellte die Augsburger Geschichtsdidaktikerin die Frage, warum gerade Nofretete – und nicht Kleopatra oder Hatschepsut, die im Gegensatz zu Nofretete Pharaoninnen waren – zu einer solch ikonischen Figur geworden sei.
Der Berliner Globalhistoriker führt dies auf zwei Faktoren zurück: zum einen auf den Zeitpunkt in den 1920er Jahren, als die Büste exakt dem Schönheitsideal der Zeit entsprach, wie es etwa Greta Garbo verkörperte; zum anderen auf die Tatsache, dass sie mit dem Berlin der „Goldenen Zwanziger“ in ein europäisches Zentrum und eine der größten Metropolen der damaligen Welt kam. Inzwischen sei Nofretete so tief im globalen kulturellen Gedächtnis verankert, dass die Silhouette ausreiche, um zu wissen, wer gemeint sei. Als Einzelobjekt sei sie im Nordkuppelsaal des Neuen Museums so inszeniert, dass sie aus Raum und Zeit enthoben erscheine. Dabei sei es unmöglich, sich heute einen unvoreingenommenen Eindruck der Büste zu machen. Der erste Besuch sei, so Conrad, schon vorher kodiert und standardisiert.
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Abschließend wurde der Kolonialismus- und Postkolonialismusexperte aus dem Publikum nach seiner Position in der Restitutionsdebatte gefragt. Auch wenn das Museum die Position vertrete, dass die fragile Büste aus konservatorischen Gründen nicht transportiert werden dürfe, plädierte Conrad für die Idee einer „geteilten Eigentümerschaft“. Die Figur der Nofretete könnte beispielsweise in das Eigentum der UNESCO übergehen und dann an verschiedenen Orten ausgestellt werden.
Oder man überlässt Nofretete der ägyptischen Seite und vereinbart, dass sie in regelmäßigen Abständen nach Berlin ausgeliehen wird. Dies könnte nach Conrads Einschätzung die Faszination und gerade wegen der kürzeren Ausstellungsdauer auch die Besucherzahlen in Berlin insgesamt sogar noch einmal steigern.
Presseecho zur Lesung
Ein packendes Buch über Nofretete als globale Ikone
(Katharina Kellner, Mittelbayerische Zeitung, 06.02.2025, zahlungspflichtig)
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Debatten & Positionen zur Erinnerungskultur
Debatten und Positionen stehen im Mittelpunkt dieser Veranstaltungsreihe. Die Vorträge und Diskussionsformate sollen ein breites Publikum über erinnerungskulturelle Themen ins Gespräch bringen und so verschiedene Perspektiven der Erinnerungskultur zugänglich machen.