Die jüngst in der Reihe Beihefte zur Zeitschrift für Geschichtsdidaktik des Verlages Vandenhoeck & Ruprecht erschienene Open Access-Publikation „Geschichtsvermittlung postkolonial“ erschließt aus geschichtsdidaktischer Perspektive Chancen und Grenzen Postkolonialer Theorie für die schulische und außerschulische Geschichtsvermittlung. Autor ist unser Mitarbeiter Dr. Philipp Bernhard. Die Drucklegung der Dissertationsschrift wurde durch das Zentrum Erinnerungskultur gefördert.
Spätestens mit den Black-Lives-Matter-Demonstrationen im Frühsommer 2020 und den Debatten um das 2021 eröffnete Humboldt Forum in Berlin werden auch im deutschen Raum der postkoloniale Diskurs und Forderungen nach einer Aufarbeitung der eigenen Kolonialgeschichte in einer breiten Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Dabei neigt die Debatte zur Polarisierung. Während Postkoloniale Theorie manchen als „Supertheorie“ für das Zeitalter der Globalisierung gilt, sehen sie andere als elitären Diskurs, der zu konfliktfördernder Identitätspolitik führt.
Das Ziel der Untersuchung besteht darin, nach dem Potenzial, aber auch nach Grenzen Postkolonialer Theorie für die geschichtsdidaktische Theorie und die schulische und außerschulische Geschichtsvermittlung zu fragen. Dazu unternimmt der Verfasser eine systematische geschichtsdidaktische Analyse „postkolonialer“ Lehr-Lernmaterialien. Er leitet daraus vier Grundüberlegungen („Claims“) für eine Umsetzung postkolonialer Theorieansätze in der Geschichtsvermittlung ab. Die entlang der vier Claims dargelegten Leitlinien stellen eine im deutschsprachigen Kontext entwickelte genuine Erweiterung bzw. Ergänzung des geschichtsdidaktischen Werkzeugkastens für die längst überfällige Globalisierung historischen Lernens dar. Sie sind als Reflexionsinstrumentarium sowohl zur Planung und Analyse von Unterricht bzw. Lehr-Lernmitteln als auch in der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften bzw. von außerschulischen Geschichtsvermittlerinnen und Geschichtsvermittlern einsetzbar.
Insgesamt zeigt die Arbeit, dass die Geschichtsdidaktik die Postkoloniale Theorie kritisch reflektieren muss, aber auf deren Impulse für die Weiterentwicklung von Theorie und (Unterrichts-)Praxis nicht verzichten kann.