Spurensuche in der „Neuen Landschaft Ronneburg“

Audiowalk zu landschaftlichem Wandel und Erinnerungskultur

Landschaften erzählen Geschichten – manchmal offen sichtbar, manchmal verborgen unter ihrer Oberfläche. Die „Neue Landschaft Ronneburg“ in Ostthüringen ist ein Ort, an dem sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf eindrückliche Weise überlagern. Heute zeigt sich das Gebiet als sanft geschwungene Grünfläche mit Aussichtspunkten, Spazierwegen und einem plätschernden Bach. Doch dieser scheinbar idyllische Ort war einst ein Zentrum des Uranerzbergbaus in der DDR – geprägt von tiefen Kratern, Abraumhalden und radioaktiver Belastung.

Mit dem Audiowalk „Neue Landschaft Ronneburg“, der im Sommersemester 2024 im Rahmen des Seminars „‚Blühende Landschaften‘ und ‚strahlendes Erbe‘: Uranerzbergbau erinnern“ an der Universität Regensburg unter Leitung von Prof. Dr. Juliane Tomann und Dr. Grit Ruhland entstand, laden wir Sie ein, dieser Vergangenheit nachzuspüren. Das Projekt wurde in Kooperation mit dem Zentrum Erinnerungskultur realisiert und ist online frei zugänglich.

Das weitläufige Grün vor Ihnen hat eine bewegte Geschichte. Die Ronneburger*innen kennen sie gut – für Besucher*innen mag sie überraschend sein. Denn lange Zeit war dieses Gebiet alles andere als grün: Hier befand sich einst ein riesiges Tagebauloch. Doch gefördert wurde nicht Kohle, sondern radioaktives Uranerz.“ – So beginnt die Geschichte auf der Webseite, die in acht Hörstationen zu verschiedenen Orten in der Landschaft weiter erzählt wird.

Der Audiowalk eröffnet vielfältige Perspektiven auf die Neue Landschaft – mit Stimmen ehemaliger Bergleute, Umweltaktivist*innen, Anwohner*innen und Fachleuten. Die Beiträge erzählen von Verlusten und Aufbrüchen, von verschwundenen Dörfern und bleibenden Gesundheitsfolgen, aber auch von touristischer Aufwertung, Zukunftsvisionen und ästhetischer Neugestaltung der Landschaft. Dabei wird deutlich: Auch wenn die Spuren des Bergbaus heute zum Teil überwachsen sind, ist die Vergangenheit nicht verschwunden – sie lebt weiter in Erinnerungen, Erzählungen und symbolischen Markierungen im Gelände.

Das Projekt lädt dazu ein, genauer hinzusehen und zuzuhören – und bietet zugleich eine Reflexion darüber, wie landschaftlicher Wandel und kollektives Erinnern miteinander verflochten sind. Es thematisiert Formen des bewussten Erinnerns und des selektiven Vergessens ebenso wie die Rolle nicht-menschlicher Akteure in der Erinnerungskultur. So ist der Audiowalk ein Beitrag zur Frage, wie Gesellschaften mit Orten umgehen, deren Geschichte toxisch, widersprüchlich oder unbequem ist – und wie daraus neue Formen des Erinnerns und Erbens entstehen können.

Für die Entwicklung des Audiowalks begaben sich die Studierenden im Mai und Juli 2024 auf Exkursionen nach Gera und Ronneburg, wo sie die Folgelandschaft des Uranerzabbaus vor Ort erkundeten – sowohl die ästhetisierte und durchkomponierte „Neuen Landschaft“ als auch die unmarkierte Althalde „Stolzenberg“, wo der Geigerzähler stark ausgeschlagen hat. Im ethnologischen Sinne war die Gruppe auf Feldforschung: Die Studierenden näherten sie sich Ronneburg und der „Neuen Landschaft“ in mehreren Phasen explorativ an, fotografierten, zeichneten, notierten, hörten zu, stellten Fragen – und fanden oft Antworten. Sie interessierten sich für die Sichtweisen vor Ort und führten daher Interviews mit Menschen aus Ronneburg, um die Spezifik dieser Landschaft zu verstehen. Auch besuchten die Studierenden die Ausstellungen zweier Bergbauvereine, die das Erbe des Uranerzabbaus der Wismut SDAG aus ihrer Perspektive erhalten.

Das Projekt startete mit einer größeren Gruppe Studierender unterschiedlicher Studienrichtungen. Die Stationen des Audiowalks konzipiert, recherchiert und umgesetzt haben Tamara Bielesch, Lena Fröhlich, Christina Nickl, Alexandru Iliescu und Christoph Schubert. Franziska Fronhöfer hat die Entstehung der Webseite begleitet.

Der Beitrag ist urheberrechtliches Eigentum des studentischen Projektteams unter Anleitung von Prof. Dr. Juliane Tomann und Dr. Grit Ruhland.
Bildnachweis: © Juliane Tomann