Selbstverständnis

Keine Gegenwart existiert ohne Erinnerung an die Vergangenheit. Dabei wandelt sich Erinnerung stetig: Jede Generation schafft sich ihren Zugang zur Vergangenheit neu. Der individuelle Rückblick verändert sich im Lauf des Lebens, kollektives Erinnern wird von den Fragen der Gegenwart geprägt. An was erinnert wird und was vergessen geht, ist nicht selten eine Machtfrage, und so ist Erinnerung häufig umstritten, immer jedoch vielstimmig.


Das Zentrum Erinnerungskultur versteht sich als wissenschaftliches diskursives Forum für die Auseinandersetzung mit historischen und gegenwärtigen Erinnerungskulturen. Es widmet sich in multidisziplinärer Perspektive grundsätzlich den Formen, Bedingungen, Möglichkeiten und Wirkungen historischen Erinnerns – mit zwei Fixpunkten: der systematischen Untersuchung von Erinnerungskultur als Forschungsgegenstand und dem ‚reflektierten Machen‘ von Erinnerungskultur als Anwendungsfeld. Ein zeitlicher Schwerpunkt liegt dabei auf dem Umgang mit Nationalsozialismus und Holocaust, das Zentrum nimmt aber darüber hinaus auch andere Epochen in den Blick und ist nicht auf Deutschland oder eine bestimmte Region fixiert.


Als konkrete Ziele unserer Arbeit sehen wir an:

  • Die Analyse und wissenschaftliche Reflexion der verschiedenen Akteur*innen, Strategien, Intentionen und Instrumente öffentlichen politischen, kulturellen, sozialen oder ökonomischen Geschichtsgebrauchs in einer langen historischen Perspektive: Wir initiieren, begleiten oder koordinieren Forschungen zu Erinnerungspraktiken und historischen wie gegenwärtigen Erinnerungskulturen, zu Deutungskämpfen, Gedenkorten und Geschichtspolitiken. Dabei fragen wir danach, wie und mit welchen (je zeitgenössischen und regions-/nationsspezifischen) Entwicklungskonjunkturen Geschichte im öffentlichen Raum vermittelt, genutzt, funktionalisiert, instrumentalisiert, politisiert, verkauft wird.
  • Das anwendungsbezogene und zugleich wissenschaftlich rückgebundene Experimentieren mit zeitgemäßen Formen des Erinnerns und Gedenkens jenseits starrer Musealisierung oder rein rituell-affirmativer Selbstvergewisserung: Wir versuchen also Erinnerung und Geschichte im öffentlichen Raum in der Praxis und als Forschungsgegenstand näher aneinander zu führen, in fruchtbaren Austausch zu bringen sowie Forschende und Praktiker*innen zu vernetzen. Dadurch wollen wir nicht nur Impulse für die wissenschaftliche Beschäftigung mit Erinnerungskulturen geben, sondern auch Überlegungen für neue, beispielsweise digitale, interaktive Vermittlungsmöglichkeiten oder für Strategien und Methoden zeithistorischer Museen anstellen.
  • Die Realisierung, Koordinierung oder Begleitung von Forschungs- und Vermittlungsprojekten im engen Austausch mit Studierenden und Kolleginnen sowie im öffentlichen Wissenstransfer: Wir wollen eine Schnittstelle sein für den Austausch mit Partnerinnen, die zu Erinnerungskulturen forschen, innerhalb der Universität Regensburg wie an weiteren Forschungs-, Kultur- und Gedenkinstitutionen im In- und Ausland. Zudem wollen wir entsprechende Expertisen und Anregungen aus verschiedenen Fächern und Blickwinkeln zusammenbringen und zugleich die Arbeit des Zentrums mit der universitären Lehre und Gesprächsangeboten in die breitere Gesellschaft hinein verbinden.