05.07.2023

Auf Spurensuche von Kongo bis Flanders Fields

Belgien Juni 2023

Im Rahmen des Projektseminars Gewaltgeschichte ausstellen: Krieg und Kolonialismus in Museen und im öffentlichen Raum am Beispiel Belgiens fand im Sommersemester 2023 unter der Leitung von Prof. Dr. Juliane Tomann und Prof. Dr. Jörg Skriebeleit eine mehrtägige Exkursion nach Belgien statt. Teilnehmende zweier Masterstudiengänge widmeten sich der Frage, wie Gewaltgeschichte in Museen und im öffentlichen Raum (re)präsentiert wird.

Brüssel – Von Lumumba und Bier

Die Exkursion startete in Brüssel, der pulsierenden Hauptstadt Belgiens und zugleich einem der Hauptstandorte der EU-Institutionen. Hier verschmelzen Geschichte und Moderne auf beeindruckende Weise. Die Stadt birgt zudem ein reiches Erbe aus der kolonialen Vergangenheit des Landes. Eine postkoloniale Stadtführung zum Auftakt des Programms ermöglichte den Studierenden, entsprechende Orte und Denkmäler durch die kritischen Augen des Tourguides vom Collectif Mémoire Coloniale et Lutte contre les Disciminations zu betrachten und so die Spuren des Kolonialismus innerhalb Brüssels besser verstehen bzw. einordnen zu können. Der Rundgang durch die Straßen von Matongé, einem lebendigen Stadtteil, der von der afrikanischen Diaspora geprägt ist, bot Einblicke in die aktuellen Ausdrucksformen der afrikanischen Gemeinschaft und die kulturelle Vielfalt Brüssels.

Ein weiterer wichtiger Halt innerhalb dieses Themas war am zweiten Tag das Königliche Museum für Zentralafrika, das sich im Vorort Tervuren befindet. Dieses Museum wurde ursprünglich während der Kolonialzeit errichtet und hat sich in den letzten Jahren einer umfassenden Neugestaltung unterzogen, um eine kritischere Perspektive auf das koloniale Erbe zu bieten. Die Studierenden konnten dort die Auswirkungen des belgischen Kolonialismus im Kongo auf Kultur, Gesellschaft und Identität untersuchen. Die Sammlungen des Museums umfassen eine breite Palette von Artefakten, darunter ethnografische und naturgeschichtliche Objekte, Kunstwerke, Fotografien und archäologische Funde.

Nachdem das Bewusstsein für die Komplexität der Beziehungen zwischen Europa und Zentralafrika geschärft wurde, ging es weiter ins Haus der Europäischen Geschichte im Brüsseler Europaviertel.

Ziel des Museums ist es, in seiner Dauerausstellung die Geschichte Europas chronologisch – von der Antike bis zur Gegenwart – zu erzählen und diese interaktiv aufbereitet den Besuchenden näher zu bringen, um ein besseres Verständnis für die Entwicklung des Kontinents und seine gemeinsame Identität zu fördern. Ob und wie dieses Ziel letztendlich erreicht wurde, diskutierten die Studierenden in einer anschließenden Reflexionsrunde. Diese Möglichkeit zum Austausch war während der gesamten Exkursionszeit wiederholt gegeben und regte immer wieder einen Dialog und Diskussionen unter den Studierenden über die komplexen Themen sowie bereits Erlebtes an.

Viel mehr als nur ein weiterer Zwischenstopp auf der Reise in die nördliche Region Flandern stellte der Gedenkort und das Museum der Kazerne Dossin in Mechelen dar. Ursprünglich als Kaserne während der Zeit des Nationalsozialismus errichtet, diente sie als Sammellager für Juden, Sinti und Roma, die während des Zweiten Weltkriegs inhaftiert wurden. Ein zentraler Teil des Museums ist die Sammlung von Namen und Fotos derjenigen, die während des Holocausts von der Kazerne Dossin deportiert wurden. Dieses Archiv dient als wichtige Ressource für Forschende und als Symbol der individuellen Schicksale der Opfer.

Ortswechsel – Ypern: Eine Stadt des Gedenkens und der Geschichte

Ypern, auch bekannt als Ieper, ist eine kleine belgische Stadt in der Region Flandern, die eine große historische Bedeutung und eine bewegende Geschichte hat. Sie ist vor allem für ihre Rolle im Ersten Weltkrieg und als Zentrum des Gedenkens an die gefallenen Soldaten bekannt. Nachdem die Stadt im Ersten Weltkrieg stark gelitten hat, strahlt sie heute in ihrem wieder aufgebauten historischen Charme. Ein Spaziergang durch die engen Kopfsteinpflasterstraßen der Altstadt offenbart beeindruckende gotische Gebäude und stimmungsvolle Märkte.

Das In Flanders Fields Museum bot die Möglichkeit, sich intensiver mit der Geschichte des Ersten Weltkriegs und den Auswirkungen auf Ypern und die umliegende Region zu befassen. Das Museum präsentiert das Leben an der Front, die Schlachten und das Schicksal der von Krieg betroffenen Menschen. Die Gruppe der Universität Regensburg bekam eine Führung durch die interaktive Ausstellung, welche außerdem durch persönliche Geschichten und historische Artefakte ergänzt wird.

Während der Studienreise besuchte die Gruppe unterschiedliche Soldatenfriedhöfe. Hier sei beispielhaft der Soldatenfriedhof von Langemark, Begräbnisstätte junger deutscher Soldaten, die während der Schlachten des Ersten Weltkriegs in dieser Region ihr Leben verloren, erwähnt. Durch den jeweiligen Aufenthalt konnten Vergleiche und Unterschiede in der Gedenk- und Erinnerungskultur dieser Orte und der zugehörigen Nationalitäten herausgearbeitet und diskutiert werden.

Das Zentrum des Gedenkens in Ypern ist der Menenpoort, ein monumentales Tor, das den gefallenen Soldaten gewidmet ist. Seit dem 1. Mai 1928 findet hier jeden Abend um 20 Uhr eine bewegende Zeremonie statt, zu der nicht nur täglich Reisebusse aus dem Vereinigten Königreich ankommen. Die Last Post Zeremonie, bei der Trompetenklänge den Abend erfüllen und rote Mohnblumenkränze zur Ehrung der Gefallenen niedergelegt werden, ist für viele Besuchende ein berührender Moment und ein wichtiger Stopp auf ihrer persönlichen Reise.

Persönlich wurde es auch beim emotionalen Treffen mit Yves Durnez und seiner Frau in Wervik, Partnerstadt von Flossenbürg. Schnell wurde klar, dass Bier und Erinnerungskultur einiges gemeinsam haben. Mit dem Bier Broere Marcel, zu Deutsch Bruder Marcel, ehrt Yves Durnez nicht nur seinen Vater, welcher die Lagerhaft nur knapp überlebte, sondern gedenkt auch seiner beiden Onkel und aller anderen Opfer, die ihr Leben im KZ Flossenbürg und anderswo verloren.

Der Austausch von und mit Geschichte(n) ist nicht nur für Studierende wichtig, sondern dient generell dazu, die Gegenwart zu verstehen, aus der Vergangenheit zu lernen und den Dialog zwischen verschiedenen Menschen und Kulturen zu fördern. Es hilft dabei, unsere Gesellschaft besser zu verstehen. Die Exkursion war in allen Punkten bereichernd und für das Seminar in diesem Sommersemester nicht nur gelungener Orts- sondern auch Perspektivwechsel.

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