Die Landshuter Hochzeit ist ein historisches Festspiel in der niederbayerischen Stadt Landshut, das die Hochzeit des Herzogs Georg des Reichen (1455–1503) und der polnischen Königstochter Hedwig (1457–1502) von 1475 nachstellt. Seit dem Jahre 1903 wird dieses Fest regelmäßig aufgeführt und ist bis heute ein wichtiges kulturelles Ereignis und Tourismusmagnet für die Region.
Das Forschungsprojekt widmet sich der Geschichte der Landshuter Hochzeit in der Zeitspanne von 1920 bis 1960 und versteht das historische Festspiel als Spiegel der komplexen gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Entwicklungen dieser Jahrzehnte. Der Zeitraum ist dabei bewusst gewählt, um tiefgreifende politische Zäsuren – von der Weimarer Republik über den Nationalsozialismus bis hin zur Nachkriegszeit – zu überbrücken.
Diese Herangehensweise ermöglicht es, Brüche und Kontinuitäten sichtbar zu machen, die in einer ausschließlich auf die NS-Zeit fokussierten Studie möglicherweise verborgen blieben. Ziel der Studie ist ein differenziertes Verständnis der langfristigen Dynamiken und Einflüsse auf das Festspiel, die nur im Kontext mehrerer politischer Umbrüche und gesellschaftlicher Veränderungen erfasst werden können.
© Archiv „Die Förderer e. V.“: 1930_Tanzpolen
© Archiv „Die Förderer e. V.“: 1934_Brautpaar_Tonn_u_Weiss_Burg_Soeller
Im Zentrum der Analyse steht die Entwicklung des Vereins „Die Förderer“, der das Festspiel veranstaltet, und seine Rolle im städtischen Kontext. Besonders im Fokus stehen die Veränderungen, die der Verein und das Fest während der NS-Zeit und in der Nachkriegszeit durchliefen, sowie die inhaltliche Entwicklung und Inszenierung des Festspiels im Laufe der Jahrzehnte. Dabei wird untersucht, inwieweit es von politischen Ideologien instrumentalisiert wurde und wie es sich an die jeweiligen zeithistorischen Rahmenbedingungen anpasste.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der sozialen und kulturellen Bedeutung der Landshuter Hochzeit. Welche Rolle spielte das Fest für die städtische Identität Landshuts und seiner Bewohner*innen und wie entwickelten sich die Beteiligung und das Selbstverständnis der Akteur*innen im Laufe der Zeit? Zudem werden die wirtschaftlichen Aspekte des Festspiels untersucht, um die Auswirkungen auf die Stadt und die Finanzierung des Festes zu beleuchten.
Das Projekt leistet einen wichtigen Beitrag zur erinnerungskulturellen Forschung, indem es lokale Strategien der öffentlichen Aktualisierung von Vergangenheit und den Umgang mit historischem Kulturerbe über die tiefen politischen Brüche des 20. Jahrhunderts hinweg untersucht. Vergleiche mit anderen historischen Festspielen wie den Oberammergauer Passionsspielen, dem Meistertrunk in Rothenburg ob der Tauber, der Kinderzeche in Dinkelsbühl, dem Further Drachenstich und dem Hussenkrieg in Neunburg vorm Wald bieten sich hier an, wodurch auch Synergien mit den Projekten des Zentrums Erinnerungskultur zur bayerisch-böhmischen Grenzregion und zur „Bayerischen Ostmark“ entstehen.